Von Risikobewertung bis Automatisierung – So wird Cyber Security im Mittelstand zur Erfolgsstrategie
Cybersicherheit gehört heute zu den größten Herausforderungen für mittelständische Unternehmen. Doch viele Unternehmer stehen vor diesem Thema wie vor einem Buch mit sieben Siegeln: Es erscheint abstrakt, komplex und wenig greifbar. Genau hier setzt die Ausgabe unserer Gesprächsreihe „mensch.digital“ an.
Moderator Martin Schmiedel von der GFKD AG, die selbst als Navigator durch den digitalen Dschungel agiert, begrüßt in diesem spannenden Interview David Knauer, Cybersecurity-Experte bei fernao group GmbH. David Knauer und sein Team sehen sich selbst als zuverlässige Navigatoren, die Mittelständler sicher durch die Untiefen digitaler Gefahren führen. Mit viel Leidenschaft und Fachwissen erklärt David Knauer, worauf es bei IT- und Cybersecurity wirklich ankommt.
Im folgenden Beitrag teilen wir konkrete Einblicke und wertvolle Handlungsempfehlungen, die das Thema Cybersicherheit endlich verständlich machen – praxisnah und speziell zugeschnitten auf die Bedürfnisse mittelständischer Unternehmen. Denn eins steht fest: Wer heute nicht handelt, setzt seine Zukunft aufs Spiel.
Warum digitale Sicherheit heute wichtiger ist denn je
Cybersicherheit ist längst kein Randthema mehr – sie entscheidet heute über den Erfolg und die Zukunftsfähigkeit mittelständischer Unternehmen. Gerade der Mittelstand, der oft über wertvolles Know-how und sensible Daten verfügt, gerät zunehmend ins Visier von Cyberkriminellen. Doch woran liegt das und welche Herausforderungen gibt es aktuell?
Wachsende Risiken und zunehmende Komplexität
Die digitale Welt verändert sich in rasantem Tempo – und mit ihr auch die Bedrohungen. Cyberkriminelle entwickeln immer neue Methoden, um Unternehmen gezielt anzugreifen. Gleichzeitig wird die technische Infrastruktur der Unternehmen immer komplexer, was Sicherheitslücken begünstigt.
Typische Cyber-Bedrohungen im Mittelstand sind unter anderem:
- Ransomware-Attacken: Angreifer verschlüsseln Daten, um Lösegeld zu erpressen.
- Phishing und Social Engineering: Gezielte Manipulation von Mitarbeitern, um an sensible Informationen zu gelangen.
- Angriffe auf IT- und OT-Systeme, beispielsweise in Produktionsanlagen, die gezielt lahmgelegt oder sabotiert werden.
Die Folgen solcher Attacken können verheerend sein:
- Hohe finanzielle Schäden durch Betriebsunterbrechungen.
- Reputationsverluste durch gestohlene oder kompromittierte Daten.
- Rechtsrisiken durch Verstöße gegen Datenschutz- und Compliance-Vorgaben.
Herausforderungen im Mittelstand: Das erschwert den Schutz
Gerade mittelständische Unternehmen stehen vor besonderen Herausforderungen, wenn es um Cybersicherheit geht:
- Begrenzte personelle und finanzielle Ressourcen
Häufig fehlt spezialisiertes Personal, um das Thema umfassend anzugehen. - Steigende regulatorische Anforderungen (Compliance)
Immer strengere Vorgaben (z. B. DSGVO, IT-Sicherheitsgesetz) erhöhen den Handlungsdruck. - Schwierige Balance zwischen Digitalisierung und Sicherheit
Einerseits besteht die Notwendigkeit, Prozesse zu digitalisieren, andererseits steigt dadurch automatisch das Risiko.
Typische Herausforderungen bei der Verbindung von IT und OT
- Getrennte Verantwortlichkeiten zwischen IT-Abteilung und Produktionsleitung.
- Unterschiedliche Anforderungen: Die IT möchte modernisieren, während die OT möglichst stabil bleiben muss.
- Schwierigkeiten bei der Vernetzung der Systeme durch Digitalisierungsvorhaben („Smart Factory“).
Konkrete Schritte zu mehr Resilienz und digitaler Sicherheit:
- Risikoanalyse: Zunächst klären, welche Prozesse und Systeme kritisch sind.
- Einheitliche Verantwortung: Schaffung klarer Verantwortlichkeiten und Abstimmung zwischen IT- und OT-Abteilung.
- Monitoring und Schutz: Einsatz geeigneter Sicherheitslösungen, z. B. Firewalls, Netzwerküberwachung oder Endpoint Protection.
- Automatisierung: Prozesse gezielt automatisieren, z. B. Patch-Management oder Alarme bei Auffälligkeiten.
Cyber Resilienz als Ziel
Warum 100 % Sicherheit nicht erreichbar ist
Eine vollständige Absicherung gegen Cyber-Angriffe ist unmöglich. Selbst hochgeschützte Organisationen können Opfer gezielter Attacken werden. Daher ist Cyber Resilienz – die Fähigkeit, Angriffe zu überstehen und den Betrieb schnell wiederherzustellen – heute entscheidend.
Wie gelingt Cyber Resilienz?
- Aufbau redundanter Systeme (Backup & Recovery)
- Etablierung klarer Notfallpläne und Krisenmanagement-Abläufe
- Regelmäßige Mitarbeiterschulungen und Sensibilisierung
Automatisierung und KI in der Cyber Security: Chancen und Grenzen
Das Schlagwort „Automatisierung“ ist in aller Munde – und auch im Bereich der Cyber Security versprechen Technologien wie Künstliche Intelligenz (KI) und automatisierte Systeme scheinbar schnelle, kostengünstige und sichere Lösungen. Besonders in Zeiten knapper Ressourcen, steigender Komplexität und eines zunehmenden Bedrohungsaufkommens gelten Automatisierung und Künstliche Intelligenz oft als Hoffnungsträger. Doch wo genau liegen hier die Chancen, und wo sind die Grenzen?
Warum Automatisierung und KI aktuell heiß diskutiert werden
In der Cybersicherheit entstehen tagtäglich gigantische Datenmengen – etwa durch Systemprotokolle oder Angriffsversuche auf Unternehmensnetzwerke. Diese gigantischen Datenvolumen lassen sich händisch kaum noch sinnvoll analysieren. Genau hier setzen KI-basierte Technologien und automatisierte Prozesse an: Sie ermöglichen es, große Datenmengen schnell zu verarbeiten, verdächtige Muster frühzeitig zu erkennen und damit Angriffen effektiv vorzubeugen.
Automatisierung und KI versprechen Unternehmen vor allem:
- Schnelle, automatisierte Reaktion auf Bedrohungen.
- Entlastung der Mitarbeitenden, die sich auf strategische Aufgaben konzentrieren können.
- Präzisere und frühere Erkennung von Angriffen durch maschinelles Lernen.
Chancen und Grenzen von KI und Automatisierung in der Cyber Security
Während viele Prozesse sich ideal automatisieren lassen, gibt es ebenso Bereiche, in denen menschliche Intelligenz unverzichtbar bleibt.
Wo Automatisierung und KI gut funktionieren:
Ein Paradebeispiel sind die sogenannten Systeme zur Angriffserkennung (Intrusion Detection Systeme, IDS):
Diese Systeme durchsuchen automatisiert Millionen von Logdaten, erkennen verdächtige Muster und alarmieren frühzeitig bei ungewöhnlichem Verhalten. Ähnlich verhält es sich bei der Analyse großer Datenmengen zur Bedrohungserkennung: Hier können KI-Systeme anhand vordefinierter Kriterien zuverlässig und rund um die Uhr Sicherheitsereignisse auswerten und teilweise sogar automatisiert Gegenmaßnahmen einleiten – etwa infizierte Rechner isolieren, bevor ein größerer Schaden entsteht.
Doch Automatisierung funktioniert eben nur dort, wo Prozesse klar strukturiert und definierbar sind.
Wo Automatisierung und KI an ihre Grenzen stoßen:
Komplexe, unstrukturierte Aufgaben wie strategische Entscheidungen, Risikobewertungen oder kreative Problemlösungen erfordern weiterhin menschliche Intuition und Erfahrung. Insbesondere gilt dies für Situationen, die bislang unbekannt sind oder bei denen kreative Lösungsansätze gefragt sind – etwa beim Umgang mit völlig neuen, bislang unbekannten Angriffsmethoden.
Die Rolle des Menschen bleibt hier entscheidend:
- Empathie und Intuition: Eine KI kann keine Managemententscheidungen treffen oder Risiken intuitiv bewerten.
- Flexibilität bei unbekannten Szenarien: KI arbeitet auf Basis vergangener Daten. In völlig neuen Situationen sind menschliche Antizipation und Kreativität unersetzbar.
Kurz gesagt: Automatisierung ist eine wichtige Unterstützung, kann aber menschliches Wissen und Erfahrungswerte nicht vollständig ersetzen.
Warum Cyber Security-Automatisierung oft scheitert – und wie der Mittelstand es richtig macht
Automatisierung klingt zunächst verlockend: Zeitersparnis, höhere Effizienz und mehr Sicherheit. Doch in der Praxis scheitern viele Unternehmen bei der Umsetzung. Die Gründe hierfür sind vielseitig, doch zwei Hauptfaktoren stechen besonders heraus:
Typische Stolpersteine bei der Automatisierung:
- Fachkräftemangel:
Es fehlen oft schlichtweg die nötigen Spezialisten, um Cybersecurity-Prozesse systematisch aufzusetzen und langfristig zu begleiten. Ohne geschultes Personal, das die automatisierten Systeme betreut und überwacht, bleibt das Potenzial der Technologie oft ungenutzt. - Fehlende standardisierte und dokumentierte Prozesse:
Automatisierung setzt voraus, dass Prozesse standardisiert und klar definiert sind. Gerade im Mittelstand sind jedoch viele Abläufe historisch gewachsen und oft nur unzureichend dokumentiert – eine schlechte Basis, um effektiv automatisieren zu können.
Lösungen für den Mittelstand: Schritt für Schritt zu mehr Automatisierung und Sicherheit
Damit Automatisierung im Bereich Cybersecurity gelingt, sollten mittelständische Unternehmen wie folgt vorgehen:
- Grundlagen schaffen (Dokumentation & Standardisierung):
Erster Schritt ist eine Bestandsaufnahme aller bestehenden Prozesse. Nur was dokumentiert ist, kann später automatisiert werden. - Prioritäten setzen:
Zunächst die Bereiche automatisieren, die den größten Nutzen versprechen (z. B. Logfile-Analyse, Endpoint Protection, Schwachstellenmanagement). - Gezielt Kompetenzen aufbauen:
Investition in Fachpersonal oder – alternativ – externe Dienstleister hinzuziehen, die fehlendes Know-how gezielt ergänzen. - Kontinuierliche Optimierung und Anpassung:
Cyber Security ist ein Prozess – kontinuierliche Anpassungen sind unumgänglich. Automatisierungssysteme regelmäßig prüfen, aktualisieren und verbessern.
So können Mittelständler schrittweise eine stabile Basis für Automatisierung und KI schaffen und letztlich nicht nur ihre IT-, sondern auch ihre Wettbewerbsfähigkeit nachhaltig stärken.
Handlungsempfehlungen für den Mittelstand: David Knauers Kernbotschaften
Cybersicherheit im Mittelstand wird schnell komplex, wenn Unternehmen versuchen, das Thema umfassend zu durchdringen. Doch David Knauer von FAU magelan betont: Oft sind es nicht die High-End-Lösungen oder neuesten Technologien, die den entscheidenden Unterschied machen, sondern die konsequente Arbeit an den grundlegenden Themen.
Mit den Basics anfangen: Realistische Risikobewertung als Schlüssel
Statt direkt in kostspielige Speziallösungen zu investieren, sollten Mittelständler zunächst ihre Hausaufgaben erledigen und sich die folgenden Fragen stellen:
- Welche Risiken bestehen konkret für mein Unternehmen?
- Welche Systeme sind wirklich kritisch, und welche Auswirkungen hätte ein Ausfall?
- Welche Kosten entstehen, wenn meine Produktion oder Verwaltung mehrere Tage stillsteht?
Eine ehrliche und realistische Bewertung dieser Risiken bildet das Fundament jeder nachhaltigen Cybersecurity-Strategie.
Priorisierung schaffen: Grundschutz vor Speziallösungen
Ein typischer Fehler vieler Unternehmen besteht darin, sich zu früh in Detailfragen und Nischenprodukten zu verlieren. David Knauer empfiehlt stattdessen:
- Zunächst eine Grundabsicherung aufbauen, die die häufigsten Risiken abdeckt (z. B. Firewall, Endpoint-Schutz, und zuverlässige Backups).
- Erst danach spezifische Maßnahmen ergänzen, die tatsächlich notwendig sind und einen erkennbaren Mehrwert bieten.
Outsourcing als Schlüssel zum Erfolg
Viele Mittelständler versuchen, Cyber Security-Aufgaben komplett intern zu stemmen. Doch besonders für zeitkritische Anforderungen, wie ein 24/7 Monitoring oder Krisenreaktionen, empfiehlt Knauer das gezielte Outsourcing an spezialisierte Anbieter. Das schafft Raum, um sich intern auf das Kerngeschäft zu konzentrieren und stellt gleichzeitig eine professionelle Rund-um-die-Uhr-Überwachung sicher.
Verantwortung bleibt intern: Cyber Security ist Chefsache
Trotz Outsourcing bleibt die Verantwortung für Cybersicherheit immer im Unternehmen. Führungskräfte müssen die Cyberrisiken verstehen und aktiv begleiten. Entscheidungen zur Cyber Security sind strategischer Natur und gehören deshalb auf die Managementebene.
Fazit: Cyber Security als kontinuierlicher Prozess
Cybersicherheit ist kein einmaliges Projekt, sondern ein kontinuierlicher Prozess, der stetige Anpassungen, neue Risikobewertungen und permanente Wachsamkeit erfordert. Gerade mittelständische Unternehmen müssen Cybersicherheit zur Chefsache machen, um langfristig widerstandsfähig und wettbewerbsfähig zu bleiben.
Ausblick: Noch relevanter in der Zukunft
Cybersicherheit wird in Zukunft nicht weniger, sondern eher noch wichtiger werden. Digitalisierung und Vernetzung schreiten weiter voran – und damit steigt auch die Relevanz digitaler Schutzmaßnahmen. Wer frühzeitig investiert, wird langfristig profitieren.
mensch.digital
Martin Schmiedel im Gespräch mit David Knauer